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Vitalstoffe 2/2020

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Vitalstoffe ist die erste Zeitschrift in deutscher Sprache, die sich zum Ziel setzt, umfassend über die Roh- und Wirkstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln sowie über deren Darreichungsformen zu berichten. Im Mittelpunkt stehen die Produktion und Mischung von Rohstoffen und deren Wirkung auf die menschliche Gesundheit. Wissenschaftlich fundierte Informationen und Studien bieten die Möglichkeit der Aufklärung, die durch die Health Claims Verordnung immer schwieriger geworden ist.

V italstoffe Betroffen

V italstoffe Betroffen ist eine Vielzahl an Zellen im ganzen Körper, was wiederum weitere Symptome und Krankheiten zur Folge haben kann. Im Zusammenhang mit Alzheimer fokussieren wir uns hier auf die Veränderung der Zellen im Gehirn. In allen drei Szenarien gelangt nicht mehr genügend energiereiches Substrat in die Gehirnzellen und es fehlt den Neuronen an Energie, um ihre Aufgaben zu verrichten. Unter anderem können sie verbrauchte oder beschädigte Proteine nicht mehr zeitnah abbauen. Die Zellen „vermüllen“, die o.g. Plaques entstehen und als Folge sterben die betroffenen Nervenzellen ab. Das macht sich dann durch eine vermehrte Vergesslichkeit sowie eine Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit insgesamt bemerkbar. Zucker gegen die Vergesslichkeit Durch Professor Reutter etablierte sich die Theorie, dass Alzheimer eine bislang falsch kategorisierte Form des Diabetes darstellt (Diabetes Typ 3). Gemeinsam mit der Pharmakologin Melitta Salkovic-Petrisic von der Universität Zagreb konnte er erstmalig an Ratten zeigen, dass die Tiere, deren Insulinrezeptoren im Gehirn chemisch blockiert wurden (Streptozotocinmodell), Alzheimer- Symptome zeigten. Sie fanden dadurch den Weg zum Futternapf nicht mehr, den sie aber davor bereits erlernt hatten. Sobald sie über ihr Trinkwasser Galaktose erhielten, konnte ihr beeinträchtigtes Erinnerungsvermögen verbessert werden und sie erinnerten sich wieder an den Weg (15, 16). Bei der Verstoffwechselung der Galaktose kann man sich den Weg in die Zelle anhand der Metapher vom Schlüssel- Schloss-Prinzip wie eine Eintrittsmöglichkeit vorstellen, bei der die Tür dauerhaft offen steht. Im Gegensatz zum GLUT4-Transporter, den die Glucose hauptsächlich verwendet, wird bei dem GLUT3-Transporter, den die Galaktose nutzt, kein Schlüssel (Insulin) benötigt, da GLUT3 insulinunabhängig arbeitet. In der Zelle selbst wird Galaktose dann in die benötigte Glukose umgewandelt und als energiereiches Substrat für die Energiegewinnung verstoffwechselt („Leloir pathway“, für dessen Entdeckung Leloir 1970 der Nobelpreis verliehen wurde) (17). Daher stellt die Galaktose auch bei den o.g. Diabetikern als Risikogruppe einen besonderen Nutzen dar, da sie nicht den Blutzuckerspiegel erhöht und die Zellen auch ohne Insulin mit Energie versorgen kann. Wobei kann Galaktose noch helfen? Auch der in Milchprodukten enthaltene Milchzucker (Laktose) beinhaltet Galaktose. Doch Galaktose wird erst dann von den Zellen aufgenommen, wenn ausreichende Mengen davon im Blut vorhanden sind. Sogar purer Milchzucker hätte nicht denselben Effekt, da die Aufnahme hierfür von der Laktase abhängt, dem Enzym, das Laktose im Darm spaltet. Rund 10% der Europäer sind laktoseintolerant. Bei 90% ist das Enzym nicht aktiv genug, um ausreichend Galaktose freizusetzen (18). Das verdeutlicht, dass die Supplementierung mit Galaktose möglichst direkt und unabhängig von der Laktase erfolgen sollte. Daher ist es insbesondere ratsam für Menschen mit primärer (angeborener) oder sekundärer Laktoseintoleranz (als Nebenerscheinung einer Erkrankung), Galaktose in ausreichenden Mengen zu supplementieren. Auch Sportler können von dem besonderen Zucker profitieren. Nimmt man Galaktose vor dem Training ein, lässt sich die Ausdauer verbessern, da die Leistungsbereitschaft der Muskulatur entscheidend unterstützt wird. Das liegt daran, dass Galaktose selbst einen Energielieferanten darstellt, zusätzlich aber auch in die kettenartige Energiespeicherform Glykogen eingebaut werden kann. Diese wird im Vergleich langsamer und damit nachhaltiger bei Bedarf abgebaut und genutzt als die Glykogen-Verbindungen, die „nur“ aus Glucose-Molekülen bestehen. Zusätzlich führt Galaktose im Gegensatz zu Glucose nicht zu einem Insulinanstieg im Blut. So lässt sich die Gefahr einer Insulin-bedingten Unterzuckerung vermeiden. Diese würde sich sonst beim Sportler subjektiv und objektiv als Leistungsabfall beim Training bemerkbar machen (19). Abb.2: Die chemisch korrekt als D-Galaktose (links) bezeichnete Substanz gehört genau wie die Glukose (rechts) zu den natürlichen Einfachzuckern (Monosaccharide). Abb. 3: Wird der Insulinrezeptor inaktiviert, kann der insulinabhängige GLUT4-Transporter keine Glucose mehr in die Zelle befördern. Steht im Blut jedoch Galaktose zur Verfügung, kann diese über den insulinunabhängigen GLUT3-Transporter in die Zelle geleitet und anschließend wieder in die benötigte Glucose umgewandelt werden. 36

Zucker Schlusswort Im Hinblick auf die Alzheimer-Krankheit stellt es in der Forschung, insbesondere bei der Zulassung von Medikamenten, immer eine Herausforderung dar, Studien ergebnisse von Tiermodellen direkt auf den Menschen zu übertragen. Doch erste zaghafte Versuche, den ausgehungerten Hirnzellen von an Demenz erkrankten Menschen ersatzweise Galaktose anzubieten, verliefen sehr vielversprechend. „Bei einer ganzen Reihe von Patienten verbesserten sich Orientierung, Erinnerung und die soziale Kommunikation deutlich. Kein derzeit zugelassenes Medikament kann da mithalten. Die derzeit häufig bei Demenz verschriebenen Acetylcholinesterase- Hemmer kosten die Krankenkassen sehr viel mehr als die Galaktose, die als Nahrungsergänzungsmittel frei erhältlich ist“ stellte Professor Reutter fest (20). Letzteres ist sicherlich ein entscheidender Faktor, inwiefern die momentane Finanzierung für weitere Studien in diese Richtung vorangetrieben wird. Ob sich in Zukunft eine standardisierte Therapie der Galaktose etablieren wird, bleibt offen. Um fundierte Daten und damit wertvolle Informationen im Zusammenhang mit dieser bislang noch nicht komplett verstandenen Krankheit zu sammeln, werden groß angelegte, klinische Studien benötigt, um den Zucker gegen das Vergessen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Literatur: (1) www.brain-effect.com/magazin/ warum-das-gehirn-staendig-energiebraucht (2) www.espn.com/espn/story/_/ id/27593253/why-grandmastersmagnus-carlsen-fabiano-caruana-loseweight-playing-chess (3) www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24153444 (4) www.alzheimer.de/alzheimer/alzheimer.html (5) www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/ PMC4360697/ (6) www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/ PMC4360697/ (7) www.statista.com/themen/2032/ demenzbeding-weltweit/ (8) www.deutsche-alzheimer.de/fileadmin/alz/pdf/factsheets/infoblatt1_haeufigkeit_demenzbeding_dalzg.pdf (9) www.glycana.com (10) www.spitzen-praevention.com/ kompetenz-statt-demenz-das-projekt/ (11) Biessels GJ, Staekenborg S., Brunner E., Brayne C., Scheltens P. Demenzrisiko bei Diabetes mellitus: eine systematische Übersicht. Lancet Neurol. 2006; 5 (1): 64–74. (12) Cukierman T., Gerstein H., Williamson J. Kognitiver Rückgang und Demenz bei Diabetes - systematischer Überblick über prospektive Beobachtungsstudien. Diabetologia. 2005; 48 2460–2469. (13) Strachan MW, Deary IJ, Ewing FM, Frier BM. Ist Typ-II-Diabetes mit einem erhöhten Risiko für kognitive Dysfunktion verbunden? Eine kritische Überprüfung der veröffentlichten Studien. Diabetes-Behandlung. 1997; 20 (3): 438–445. (14) www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/ PMC4991654/ (15) www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24055495 (16) www.rosenfluh.ch/media/psychia- trie-neurologie/2017/01/Hirnfunktion- Galaktose-und-die-Konsequenzen-fuerdie-Kognition.pdf (17) Cohn RM, Segal S. Galactose metabolism and its regulation. Metabolism. 1973; 22: 627–642. (18) www.fu-berlin.de/presse/publikationen/tsp/2016/tsp-februar-2016/ forschung/bittere-diagnose-suessetherapie/index.html (19) www.sanamedis.de/pdf/galactose. pdf (20) www.fu-berlin.de/presse/publikationen/tsp/2016/tsp-februar-2016/ forschung/bittere-diagnose-suessetherapie/index.html Bilder: Abb.1: MUDr. Melvin Baé, 2020 Abb.2: www.quora.com/What-is-thedifference-between-alpha-d-glucoseand-galactose-in-structure Abb.3: modifiziert nach: Geilen C, Reutter W (2017), „Hirnfunktion: Galaktose und die Konsequenzen für die Kognition“, &32 1/2017 PSYC Autor: MUDr. Melvin Baé, Arzt Arztpraxis Baé, Berlin Allgemeinmedizin, Sport-, Ernährungs- und Umweltmedizin Juli 2020 37

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