MARKT | Krisenmanagement ANPASSUNGS- UND INNOVATIONSFÄHIGKEIT Resilienz in Anwendung bringen Das Thema Resilienz wurde auch durch Entwicklungen wie der Klimawandel oder die Digitalisierung in die öffentliche Diskussion gerückt. Durch die Corona-Pandemie wird die Resilienz neu auf die Probe gestellt. Fraunhofer-Forschende haben nun ein neues anwendungsorientiertes Konzept dazu vorgestellt. Es bietet eine systemisch orientierte Betrachtung und zeigt praxisnah Lösungswege auf, wie Unternehmen und Organisationen sich in Zukunft besser auf Krisen vorbereiten können. F raunhofer legt ein ganzheitliches Kompetenzangebotvor, das praxisnahe Lösungen im Lichte der aktuellen Pandemie und zukünftiger Krisen offeriert. „Souveränität und Resilienz in zentralen, strategisch wichtigen Technologiebereichen sind essentielle Eckpfeiler, um die Versorgung mit wichtigen Gütern, die Stabilität von Lieferketten und damit die Innovationsfähigkeit deutscher Unternehmen zu sichern“, erklärt Fraunhofer-Präsident Prof. Reimund Neugebauer. „Denn der Indikator dafür, ob und wie Organisationen und Gesellschaften kritische Situationen technologisch, sozial und wirtschaftlich souverän meistern, ist ihre Resilienz.“ Resilienz – praxisnah definiert Was macht das Thema eigentlich so komplex? Ein auch langfristig erfolgreiches Resilienz-Konzept beinhaltet viel mehr als nur die Fähigkeit, Krisen mit einer gewissen Robustheit zu begegnen und danach schnell wieder den alten Zustand herzustellen. Ziel ist es vielmehr, während einer Krise die Kernfunktionen in Bereichen wie Wirtschaft, Gesundheits- oder Bildungswesen aufrechtzuerhalten, sowie aus den Erfahrungen zu lernen und dementsprechend gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Voraussetzungen hierfür sind aus Sicht der Autorinnen und Autoren der Studie drei wesentliche Kompetenzen. ▶▶Erstens müssen Unternehmen oder Organisationen in der Lage sein, schnell und agil auf Störereignisse zu reagieren. ▶▶Zweitens sollten sie Warnzeichen oder Indikatoren für das Aufziehen von Krisen frühzeitig erkennen und schnell Gegenmaßnahmen einleiten. Resilienz in Anwendung bringen ▶▶Und drittens ist es entscheidend, kontinuierlich aus Krisen zu lernen und diese Erkenntnisse in innovative Maßnahmen und dynamische Strukturen zu verwandeln. Phasen der Krisenbewältigung Prof. Jakob Edler vom Fraunhofer- Institut für System- und Innovationsforschung ISI, einer der Autoren der Studie, fasst zusammen: „Resilienz bedeutet, schnell und Der strategische Planungsprozess von Resilienz ist in die folgenden fünf Phasen unterteilt: Prepare (vorbereiten), Prevent (verhindern), Protect (beschützen), Respond (reagieren) und Recover (wiederherstellen). Wird die Leistung im Zeitverlauf betrachtet, wird deutlich, wie gut das Unternehmen reagiert und in welcher Phase es noch Verbesserungsbedarf gibt. Für die Erhöhung der eigenen Fähigkeit, mit Krisen besser umzugehen, sollte das Unternehmen diesen zeitlich geschlossenen Resilienzzyklus mehrmals durchlaufen und Resilienz bestenfalls schon in der Designphase des Systems implementieren. Dieses Resilience by Design ist deutlich effizienter als eine nachträgliche Einbindung von Resilienz und rentiert sich in Krisenzeiten merklich, da eine erhöhte Krisenfestigkeit besteht. Grafiken: Fraunhofer 36 | Getränke! 03 | 2021
App geht‘s ! flexibel auf Schocks und Krisen zu reagieren und sich mittels Innovation an neue Situationen anzupassen.“ Transformationsprozesse aktiv gestalten Edler weist zudem auf die Rolle von Entwicklungen wie Digitalisierung und Energiewende hin: „Diese tiefgreifenden Transformationsprozesse müssen wir aktiv gestalten und dabei die Resilienz von Anfang an mitdenken“. Gerade die Digitalisierung erhöht die Komplexität der Systeme und damit die Gefahr von Störungen. Durch Kaskadeneffekte könnten aus begrenzten regionalen Störfällen ernste systemische Bedrohungen werden. Um dies zu verhindern, fordert das Fraunhofer-Konzept ein tiefgehendes und ganzheitliches Verständnis der eigenen Strukturen. Das gilt für Unternehmen ebenso wie für Behörden oder Einrichtungen der lebenswichtigen Bereiche wie Gesundheitswesen, Energie- und Wasserversorgung. Erst eine tiefe Analyse aller Strukturen und Arbeitsabläufe bringt die verborgenen Schwachstellen und Risiken an den Tag. Entscheidend dabei: Die technische Betrachtung allein genügt nicht. Eine nachhaltige, systemische Resilienz berücksichtigt immer auch den menschlichen Faktor. Die Technik muss robust und die Mitarbeitenden müssen auf Störfälle vorbereitet sein. „Wir nutzen systemische Ansätze, um die Resilienz sowohl von einzelnen Organisationen als auch beispielsweise von komplexen Lieferketten und ganzen Volkswirtschaften holistisch zu betrachten. Die Erkenntnisse daraus tragen zu deren Stärkung bei“, erklärt Dr. Florian Roth, Projektleiter am Fraunhofer ISI. Bessere Resilienz, bessere Wettbewerbsfähigkeit Nach Überzeugung der Forscherinnen und Forscher zahlen sich Investitionen in Resilienz auch ökonomisch aus. Unternehmen, die proaktiv und flexibel agieren, meistern nicht nur Krisen viel besser. Eine hohe Resilienz zahlt sich im Business-Alltag aus, weil sie Geschäftsprozesse flexibilisiert und die Fähigkeit zu Innovationen stärkt. „Politik und Wirtschaft haben mittlerweile erkannt, dass Resilienz ein zentrales Element der strategischen Planung sein muss. Wer jetzt schnell und entschlossen Prozesse und Infra strukturen resilient gestaltet, der hat auch klare Wettbewerbsvorteile“, sagt Prof. Stefan Hiermaier vom Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach- Institut, EMI. Von dieser Einsicht können auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) profitieren. Extra für diese haben Fraunhofer-Forschende das Online-Tool Fraunhofer Resilience Evaluator (FReE) entwickelt. Unternehmen können mithilfe eines webbasierten, interaktiven Fragebogens ihre Resilienz-Fähigkeiten erfassen, analysieren und visualisieren. Auf dieser Basis lassen sich konkrete technische oder organisatorische Maßnahmen entwickeln, um die Resilienz weiter zu verbessern. Die Nutzung des Tools ist kostenlos. Interdisziplinäre Zusammenarbeit Die Fraunhofer-Gesellschaft beschäftigt sich seit über zehn Jahren interdisziplinär und unter Einbindung verschiedener Institute und Kompetenz felder mit der Frage, wie man lebenswichtige Systeme in Wirtschaft und Gesellschaft widerstandsfähiger machen kann. So haben neben dem Fraunhofer ISI auch das Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach- Institut, EMI, das Fraunhofer- Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF und das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML an der Studie mitgewirkt. Als gemeinnützige Organisation kann die Fraunhofer- Gesellschaft hier als glaubwürdiger und unabhängiger Partner von Politik und Wirtschaft auftreten. Mehr Informationen www.fraunhofer.de Die Dr. Harnisch Publications App mit kostenlosen Online-Ausgaben unserer Fachzeitschriften. Jetzt downloaden! Die Dr. Harnisch Publications App ist kostenlos für mobile Endgeräte in folgenden App Stores erhältlich: www.harnisch.com
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