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Getränke! Technologie & Marketing 1/2021

MARKETING | „König

MARKETING | „König Kunde“ KUNDENGESPRÄCHE IN GUTER ATMOSPHÄRE Lust statt Frust im Kundenkontakt Bei jedem Kunden und Einkäufer ist ein bestimmtes Werte- und Emotionssystem dominant. Wem es gelingt, dieses System zu erkennen und anzusprechen, weckt positive Emotionen und bereitet einer Ja-Kaufentscheidung den Boden. Negative Emotionen hingegen sollten vermieden werden. Wie aber gelingt dies? Von VOLKER MAIHOFF, Verkaufs-/Führungskräftetrainer und Business Coach, Essen 40 | Getränke! 01 | 2021 D er Verkaufsleiter ist ein wenig nervös, heute steht ein Reklamationsgespräch mit einem strategisch wichtigen Kunden an. Der Einkäufer beklagt zum wiederholten Mal verspätete Lieferungen. Das ist ärgerlich, weil das Unternehmen des Verkaufsleiters gerade dabei ist, mithilfe einer großangelegten Marketingaktion ein neuartiges Getränk am Markt zu etablieren. Aber der Verkaufsleiter sieht sich gut gewappnet und vorbereitet: Er hat zahlreiche Argumente gesammelt, um den Chefeinkäufer in einer „Verteidigungsrede“ zu überzeugen. „Erst ein wenig Small Talk, dann die Beziehung auf der emotionalen Ebene stärken, dann die Argumente vortragen“ – so sein Plan. tionieren soll, die Ware pünktlich zu liefern. Das aber ist es, was der Chefeinkäufer hören will … Persönlichkeitsstruktur einschätzen In der Reklamationsverhandlung droht die Gefahr, dass es nur noch um den Preis und das materielle Entgegenkommen des Verkaufsleiters geht. Das scheint die einzige Möglichkeit, das Gespräch vielleicht doch noch mit positiven Emotionen aufzuladen. Aber natürlich wollte der Verkaufsleiter genau dies verhindern. Was hätte er von Anfang anders machen sollen? Entscheidend ist, die Persönlichkeitsstruktur eines Gesprächspartners vor dem eigentlichen Gespräch einzuschätzen. Der Verkaufsleiter hätte vorab analysieren sollen, mit wem er es zu tun hat: Gehört der Einkäufer zu den dominanten Menschen, für die es wichtig ist, sofort und direkt einen Nutzen davonzutragen, ohne langatmiges Hin-und-Her- Small-Talk-Gerede? Oder ist es für ihn von besonderer Bedeutung, ein Vertrauensverhältnis zum Verkaufsleiter aufzubauen, weil er sehr sicherheitsorientiert denkt und agiert? Damit nicht genug, es gibt weitere Varianten: Liebt es der Einkäufer, das Gespräch zu lenken, weil er selbst vor Ideen und kreativ-inspirierenden Einfällen sprüht? Oder handelt es Foto: Adobe Stock Frostige Atmosphäre Gleich der Gesprächsbeginn steht unter einem schlechten Stern. „Lassen Sie uns doch gleich zur Sache kommen“, murmelt der Chef einkäufer vor sich hin, die Gesprächsatmosphäre ist von vornherein eingetrübt, anscheinend ist der Einkäufer kein Freund der kleinen Plauderei, um das Eis zu brechen. Das Problem: Ist die Beziehungsebene erst einmal gestört, lässt sich kaum noch ein konstruktives Gesprächsklima herstellen. Der Chefeinkäufer gehört anscheinend zu den dominanten Persönlichkeitstypen, und solche Kunden bevorzugen es, gleich auf den Punkt zu kommen. Emotionaler Beziehungsaufbau – das interessiert ihn nicht. Unser Verkaufsleiter ahnt: „Meine lange Verteidigungsrede mit den Argumenten wird auch nicht gut ankommen.“ Er sieht sich nicht in der Lage, umzuschalten und dem Einkäufer etwa ein Ausgleichsangebot wegen der Lieferverzögerungen zu unterbreiten und ihm darzulegen, wie es in Zukunft funksich bei ihm um den rationalen Zahlen-Daten-Fakten-Einkäufer, der sich am liebsten durch eine sachliche Beweisführung überzeugen lässt? Wobei es auch denkbar ist, dass sich der Gesprächspartner nicht eindeutig einem Persönlichkeitstypus zuordnen lässt, sondern es sich um einen „Mischtypus“ handelt, etwa um einen Einkäufer, der als Grundlage eine vertrauliche Beziehung zum Gesprächspartner wünscht, dann aber doch die knallharten Fakten benötigt, um den Reklamationsfall zu einem guten Ende zu bringen. Kompetenz zur Einschätzung des Kundentypus aneignen Welche Konsequenzen sollte der Verkaufsleiter nun ziehen? Für seine Verkäufer und ihn ist es zielführend, gerade in strategisch relevanten Gesprächssituationen positive Emotionen zu maximieren und negative Emotionen zu minimieren. Darum sollten sie sich die Kompetenz aneignen, das jeweilige Persönlichkeitsprofil des Gesprächspartners zu identifizieren. Klar ist: Je länger die Kundenbeziehung besteht, je besser der Verkäufer einen Kunden kennt, desto treffsicherer wird diese Einschätzung ausfallen. Wie jedoch schaut es mit unbekannten Kunden aus? Oder mit Kunden, denen der Verkäufer erst zum zweiten oder dritten Mal begegnet?

App geht‘s ! Um Denk- und Verhaltenspräferenzen sowie Persönlichkeitsprofile einschätzen zu können, ist Übung notwendig. Wer seine Wahrnehmungsfähigkeit schult, kann an der Körpersprache und an Aspekten wie Haltung, Dynamik und Bewegung zumindest eine erste Beurteilung wagen. Auch die Sprechweise, die Stimme – also Lautstärke, Modula tion und Tempo – und die Wortwahl, die verwendeten Formulierungen und Inhalte sind relevant, wenn man den Gesprächspartner einem Emotionssystem zuordnen will. Hinzu kommt: Wie ist er gekleidet? Wie tritt er auf – eher bestimmend oder eher zurückhaltend? Geht er forsch, aktiv und gesprächig vor, wenn er eine Frage stellt? Wie drückt er sich aus, welche Sprachbilder benutzt er, ist er ernst oder kommunikativ-heiter? Aber Achtung! Wichtig ist, diese Einschätzung im Gespräch zu vertiefen und sein Vorgehen entsprechend zu verändern. Genau dazu war unser Verkaufsleiter nicht fähig: Hätte er über verschiedene Reaktionsalternativen verfügt, hätte er sein Verhalten auf die Persönlichkeit des Chefeinkäufers abstimmen und sich vom Small Talk und dem Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung verabschieden können. Er hätte die Dominanz des Einkäufers akzeptieren und direkt ein positives Klima schaffen können: „Lassen mich gleich auf den Punkt kommen: Was erwarten Sie als Wiedergutmachung?“ Heitere Atmosphäre Der Verkäufer weckt positive Emotionen, wenn es ihm gelingt, das gesamte Verkaufsgespräch auf das Emotionssystem eines Kunden abzustimmen. Dazu schwingt er sich mit ihm auf einer Wellenlänge ein und wählt einen kundenspezifischen und emotionalisierenden Interessenseinstieg: Er lüftet zu Beginn des Gesprächs ein Geheimnis, überrascht mit einer zahlengesättigten Nutzendarstellung oder wählt einen sinnenspezifischen Einstieg, indem er den Kundennutzen zum Beispiel visualisiert. Dem dominanten Kunden sollte er dar legen, wie dieser mit seiner Hilfe einen klar definierten Sollzustand erreichen kann. Beim nächsten Kunden hebt er auf dessen Visionen und langfristige Ziele ab und spricht seine Fantasie mit lebendigspannenden Geschichten an. Beim vertrauensorientierten Kunden schließlich sammelt er Treuepunkte, indem er ihn mit einer strukturiert vorgetragenen Präsenta tion sowie Garantien überzeugt, während er beim sicherheitsorientierten Gesprächspartner dessen Befürchtungen und Vorbehalte ausräumt. Und für die Einwandbehandlungsphase und die Abschlussphase gilt: Der Verkäufer gibt beim Dominanz-Kunden eine kurze Zusammenfassung und wiederholt die Kernbotschaften. Und auch bei den anderen Kundentypen berücksichtigt er das jeweilige Emotionssystem. Zudem stimmt der Verkäufer den Kundenkontakt sprachlich auf den Typus ab – er vermeidet Fachjargon und nimmt konsequent den Sie-Standpunkt ein und verdeutlicht so: „Lieber Einkäufer, es geht jetzt um Sie, um Ihre Wünsche und Erwartungen, um Ihren Nutzen.“ Dazu ersetzt er einen Satz wie „Ich verspreche Ihnen, dass …“ durch: „Sie können sich darauf verlassen, dass …“ „König Kunde“ als gelebte Realität Es liegt in der Verantwortung der Geschäftsleitung, dass die Mitarbeiter jene kundenzentrierte Haltung leben und über die emotionale und kommunikative Kompetenz verfügen, sich in die Vorstellungs- und Gefühlswelt der Kunden hineinzuversetzen. Die Geschäftsleitung sollte diese Einstellung in den unternehmerischen Grundsätzen verpflichtend verankern und so verdeutlichen: „König Kunde – das ist bei uns keine auf Hochglanzpapier gedruckte Floskel, sondern gelebte Realität.“ Mehr Informationen www.maihoff.de Die Dr. Harnisch Publications App mit kostenlosen Online-Ausgaben unserer Fachzeitschriften. Jetzt downloaden! Die Dr. Harnisch Publications App ist kostenlos für mobile Endgeräte in folgenden App Stores erhältlich: www.harnisch.com

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