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Getränke! Technologie & Marketing 1/2021

Automatisierung SPEZIAL

Automatisierung SPEZIAL OBSTBRAND 4.0 Digitales Brennen für Destillate Nur ein Produkt, das schmeckt, wird gerne wieder gekauft. Um als Brenner am Markt bestehen zu können, ist die Qualität der hochwertigen Spirituosen ausschlaggebend. Für Produkte in Premium qualität bedarf es neben bester Obstqualität und kontrolliertem Gärungsverlauf vor allem einer „aromaschonenden“ Destillation. Um dies besser zu verstehen, wurde eine Abfindungsbrennanlage mit technischen Sensoren ausgerüstet, die den Brennvorgang nun digital begleitet. D ie wesentliche Aufgabe eines Brenners ist die Gewinnung eines wohlschmeckenden, rohstofftypischen Destillats bei zeitgleicher Abtrennung negativer Aromakomponenten. Dies erfolgt bislang rein durch dem Geschick des Brenners und beruht ausschließlich auf Erfahrungswerten. Um das Verhalten einzelner Aromastoffe während des Destillationsvorgangs besser verstehen zu können, wurde eine Abfindungsbrennanlage an der Forschungs- und Lehrbrennerei der Universität Hohenheim mit 25 technischen Sensoren ausgerüstet. Sie sollen die Destillationsvorgänge aufzeichnen und einen Einblick in die Grundmechanismen geben. Fokus: Schnapsherstellung mit hoher Qualität im Destillat Wenn es um die Qualität der erzeugten Destil late geht, präsentieren sich viele Brenner gerne an erster Stelle. Um sich hier als Konsument nicht blenden zu lassen, ist es wichtig, auch eine unabhängige Meinung der Schnapsqualität zu hören. Um dies zu ermöglichen, lassen viele Brenner im Zuge von Prämierungen ihre Destillate von geprüften Sensorikexperten bewerten. Auf diese Weise erhalten sie und ihre Kunden ein unabhängiges Bild davon, ob ihr Produkt einer Gold-, Silber- oder Bronze medaille würdig sind. Beispielsweise können Mitglieder der württembergischen Kleinbrennerverbände ihre Destillate von Experten mit Prüferpass bewerten lassen. Diese Prämierungen finden bereits seit 1997 alle zwei Jahre statt. Im Schnitt werden je Prämierungsdurchgang ca. 1.500 Spirituosen bewertet und mit Gold-, Silberund Bronze medaillen ausgezeichnet. Über die Jahre lässt sich daraus die Destillatqualität auf dem Markt abbilden. Die erhobenen Daten zeigen, dass im Durchschnitt 63 % der Produkte eine Gold- und Silbermedaille erhalten. Bis 2018 bestand in Deutschland die Möglichkeit, seine Produkte – unabhängig von der Qualität – zu festgesetzten Preisen an die Brandweinmonopolverwaltung abzugeben. Doch seit hier das neue Alkoholsteuer gesetz in Kraft getreten ist, ist jeder Produzent auf die 34 | Getränke! 01 | 2021 Die Forschungs- und Lehrbrennerei der Universität Hohenheim digitalisiert eine Destillationsanlage – für bessere Spirituosen. Foto: Dr. Daniel Einfalt, Universität Hohenheim eigene Vermarktung seiner Produkte angewiesen. Damit rückt das Thema hoher Qualität im Destillat weiter in Fokus. Destillationskolonne – Black Box Alle stofflichen Vorgänge in der Destillationsanlage nachzuvollziehen, ist relativ komplex. Häufig ist mangelnde Kenntnis der Verfahrenstechnik ein Grund für ungenügende Produktqualität. Dies wird dadurch unterstützt, dass man die chemischen Vorgänge in einer klaren Flüssigkeit optisch nicht nachvollziehen kann und die Einsichtmöglichkeiten in das Destillationsgerät häufig beschränkt sind. Daher ist die Anlage für viele Betreiber sprichwörtlich eine „Black Box“. Betrachtet man einmal die Grundprinzipien der Destilla tion, so beginnt alles mit einer alkoholhaltigen Maische. Diese Alkohol-Wasser­ Mischung wird im Brennkessel zum Sieden gebracht. Da Alkohol (= Ethanol) bei 78,3 °C siedet und Wasser erst bei 100 °C, wird Ethanol im Dampf stärker angereichert als Wasser. Der alkoholhaltige Dampf steigt thermisch nach oben und wird bei modernen Abfindungsbrennanlagen auf höherer Ebene (= Verstärkerboden) kondensiert. Durch den konstanten Wärme eintrag beginnt auch diese Flüssigkeit erneut zu sieden und eine weitere Anreicherung der Alkoholkonzentration im Dampf ist die Folge. Dies geschieht auf mehreren Ebenen – je höher man in der Anlage geht, desto höher ist der Alkoholgehalt. An oberster Stelle befindet sich dann zusätzlich eine Kühleinheit (= Dephleg mator), an welchem die heißen Alkoholdämpfe vorbeigelangen müssen. Durch die Kühlwirkung kondensieren hier vor allem Komponenten mit hohem Siedepunkt und tropfen zurück in die Anlage. Dabei wird der Destillationsvorgang quasi umgekehrt. Die Kühl einheit wirkt wie eine Art Wasserscheide und hält bestimmte Komponenten in der Anlage zurück, während andere Komponenten aus der Anlage abgehen und als Destillat gewonnen werden. An Abfindungsbrennanlagen kann man unten also Gas geben und von oben bremsen. Die Forschungs- und Lehrbrennerei der Universität Hohenheim beschäftigt sich nun vor allem mit der Frage, wie viel Gas und wie viel Bremswirkung einem Qualitätsbrand gut tun. Und dafür ist es notwendig, sich mit möglichst vielen Anlagenparametern zu beschäftigen. Digitales Brennen gibt Einblicke Das Projekt „Brennerei 4.0“ betrachtet neben der Entwicklung der Temperatur in der Anlage vor allem einige ganz wesentlichen Prozessparameter. Dies umfasst den Energie eintrag in die Brennblase und die am Dephlegmator gebildete zurücktropfende Flüssigkeitsmenge. Diese zurücktropfende Flüssigkeitsmenge hat einen entscheidenden Einfluss darauf, wann welche Aromakomponenten aus der Anlage abgehen und als Destillat gesammelt werden. Beim Brennen wird das gewonnene Destillat in Vor-, Mittel- und Nachlauf aufgeteilt. Dabei wird versucht, negative Aroma komponenten in Vor- und Nachlauf anzureichern. Im Vorlauf sind unter

HEFT IM HEFT anderem die chemischen Inhaltsstoffe Acetaldehyd und Ethylacetat enthalten, welche einen unangenehmen Klebstoff­ Lösemittelton haben. Der Nachlauf ist durch Fuselalkohole geprägt, welche durch eine unangenehme Geschmacksnote auf fallen. Der Mittellauf stellt das Wertprodukt dar, welches schließlich als Destillat verkauft wird. Im Mittellauf sollten daher die wesentlichen Aromaträger des Ausgangsrohstoffs beinhaltet sein. Bei Apfel- und Birnenbränden sind hier vor allem Aldehyde und Ester prägend für das Aroma. Häufig gibt es charakteristische Aromastoffe, wie beispielsweise in Williams-Christ-Birnen, die als eine Art Leitsubstanz für die Qualität stehen. Allerdings setzten sich Obstdestillate aus mehreren hundert Aromastoffen zusammen, welche alle durch die vorherrschenden Destillationsbedingungen beeinflusst werden. Um eine gleichbleibend hohe Qualität der Obstbrände erreichen zu können, ist es nötig, Einblicke in die Black Box zu erhalten. Dies wird nun durch die Digitalisierung ermöglicht. Dafür wurden rund 40.000 Euro zur Umrüstung einer Abfindungsbrennanlage mit digitaler Sensortechnik investiert. Die 25 Sensoren ermöglichen einen umfassenden Einblick in die Energie- und Stoffströme innerhalb der Anlage. Hochprozentig erfolgreich durch Forschung Um auch gegenüber der Brenner-Community authentisch auftreten zu können, lässt die Forschungs- und Lehrbrennerei ihre hergestellte Produktqualität jährlich bei der unabhängigen Deutschen Landwirtschafts­ Gesellschaft (DLG) bewerten. Daran nimmt sie bereits seit über 45 Jahren teil. Mit stetig steigender Qualität, wie der DLG­ Medaillenspiegel von 1974 bis 2020 zeigt. Wurden in den Bewertungsjahren 1974 bis 1990 noch 11 % aller Hohenheimer Spirituosen mit Gold ausgezeichnet, steigerte sich der Anteil der Goldmedaillen über die Jahrzehnte hinweg kontinuierlich: von 20 % Gold in den Jahren 1990 bis 2000 auf über 25 % im darauf folgenden Jahrzehnt bis aktuell 50 % Gold von 2010 bis 2020.Dieser Erfolg entwickelte sich durch die kontinuierlichen Forschungsaktivitäten, die die Wissenschaftler betreiben, um beispielsweise den Methanolgehalt in Spirituosen zu reduzieren oder eine punktgenaue Abtrennung des Vorlaufs zu ermöglichen. Durch die Digitalisierung der Anlage wird erwartet, dass sich diese Erfolgshistorie auch weiterhin fortsetzen wird. Erste Erkenntnisse des digitalen Destillierens zeigen, dass eine genaue Regulierung des Energieeintrags dabei helfen kann, die typisch auftretenden, störenden Schaumbildungen zu vermeiden, während zeitgleich keine Einbußen in der Qualität des Destillationsprozesses und des Produkts entstehen. Dadurch könnte auf die Zugaben von Chemikalien auf die sonst natürlichen Obstmaischen verzichtet werden. Es ist eher unrealistisch, dass zukünftig jeder Brenner seine Anlage digitalisieren lässt. Das Ziel der Forschungs- und Lehrbrennerei ist vielmehr, Wissen zu generieren, um Empfehlungen für die Praxis auf wissenschaftlicher Grundlage zu bieten. Mehr Informationen www.uni-hohenheim.de SEW-EURODRIVE GmbH & Co KG Automatisierungsbaukasten: Neue Antriebe für die dezentrale Installation Motorintegrierte und motornahe Lösungen SEW-EURODRIVE erweitert seinen modularen Automatisierungsbaukasten MOVI-C ® um neue Antriebe für die dezentrale Installation. Ihre Integration in verschiedene Automatisierungstopologien erfolgt durchgängig zu weiteren MOVI-C ® -Produkten und mit allen gängigen Feldbus­ Topologien und Netzwerk-Standards. Individualität und einfache Handhabung kennzeichnen die neue dezentrale Antriebseinheit MOVIMOT ® advanced. Sie ergänzt das bisherige MOVI-C ® -Portfolio hinsichtlich Funktionalität und Durchgängigkeit. Sie erweitert damit die Anwendungsmöglichkeiten der seit Jahrzehnten bewährten, dezentralen Antriebstechnik. Durch die Integration eines energieeffizienten Asynchronmotors der Baureihe DRN.. (IE3) mit dem neuen dezentralen Umrichter aus dem modularen Automatisierungsbaukasten MOVI-C ® erreicht die dezentrale Antriebseinheit die maximale Antriebe für dezentrale Installation Systemeffizienz ES2 gemäß IEC 61800-9-2. MOVIMOT ® advanced kann man dank der inte grierten digitalen Schnittstelle einfach und komfortabel in Betrieb nehmen. Geberoder Sensorsignale können ohne zusätzlichen Installationsaufwand ausgewertet werden. Die Kombinierbarkeit mit allen Standardgetrieben der Baureihen 7 und 9 ermöglicht den vielfältigen und flexiblen Einsatz. Ferner ermöglicht der optionale, integrierte Lasttrennschalter die Trennung der Antriebseinheit vom Netz, ohne die komplette Anlage abzuschalten. Die überlastfähige, geräuscharme Antriebseinheit MOVIMOT ® performance wird in Standard-Permanentmagnet-Synchronmotoren mit hoher Effi zienz (ab IE4) integriert. Sie ist durch eine hohe Dynamik, einen großen Drehzahlbereich und lüfterlosen Betrieb gekennzeichnet. Sie ist mit der elektrodynamischen Hemmung DynaStop ® oder mit Bremse ausgerüstet. Auch die Motoren dieser Baureihe sind kombinierbar mit dem Getriebebaukasten der 7er- und 9er-Serie. Die applikationsorientierte und energieeffiziente Antriebseinheit MOVIGEAR ® performance vereint Motor, Getriebe und Umrichter in einem Gehäuse. Durch maximale Integration mit höchster Effizienz (IE5, IE2S) baut sie sehr kompakt, ermöglicht eine Variantenreduktion und ist durch hohe Dynamik sowie lüfterlosen, geräuscharmen Betrieb gekennzeichnet. Die Antriebseinheit ist mit der elektrodynamischen Hemmung DynaStop ® ausgerüstet. Sie eignet sich optimal für Einsatzbereiche mit regelmäßiger Reinigung und speziellen Anforderungen an das Hygienic Design. Mehr Informationen www.sew-eurodrive.de Foto: SEW Getränke! 01 | 2021 | 35

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