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fng MAGAZIN 4 2022

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VON DREI SEITEN

VON DREI SEITEN BETRACHTET Falk S. Al-Omary Mehr Mut der M Die Verbraucher werden in den nächsten Monaten ihrerseits beweisen müssen, dass ihre moralischen Vorstellungen in Bezug auf Lebensmittel und eine nachhaltige Lebensweise auch dann Bestand haben, wenn die Kosten dafür nicht nur absolut, sondern auch relativ bezogen auf ihren individuellen Warenkorb steigen. Zugleich werden die Marken den Beweis antreten müssen, wie ernst sie es meinen mit ihrer Premiumhaltung, wenn der Absatz sinken sollte. Marken haben Macht heißt es. Angeblich können sie Preise bestimmen und Märkten ihren Stempel aufdrücken. Das stimmt. Gut inszenierte Marken wirken anziehend und attraktiv, weil sie nicht nur einen Produktnutzen in Form von Geschmack, Qualität oder besonderen Eigenschaften in den Fokus ihrer Kommunikation rücken können, sondern auch ihre Werte oder ihre einmalige Story. Lebensmittel sind heute nicht nur Konsumgut, sondern auch Lifestyle, Ausdruck eines Lebensgefühls oder einer gesellschaftlichen Haltung für den Konsumenten. Insbesondere in den Segmenten Bio, Premium und Gesundheit drückt sich dies aus. Was nachhaltig und gesund ist, darf gerne auch teurer sein. Das war lange Zeit plausibel und hat sich ausgezahlt. Marken, die auf hochwertigste Rohstoffe, ethische Lieferketten, besondere Frische und Natürlichkeit sowie auf den Verzicht von Zusätzen verweisen konnten, hatten leichtes Spiel, im größer werdenden Premiumsegment mitzumischen. Die Margen waren entsprechend und auch der Handel konnte profitieren. Die Bio-, Nachhaltigkeits- und Ethikwelle ließ zu, dass alle auskömmlich berücksichtigt werden konnten: die Natur, die Erzeuger, die Hersteller, die Marke selbst, die Distributoren und der Handel. Erwartungen nicht enttäuschen Doch nun schlägt die Inflation zu. Nun muss sich beweisen, welchen Stellenwert die Themen Nachhaltigkeit und Premiumanspruch bei den Verbrauchern noch haben werden. Nun wird sich auch zeigen, welche Macht die Marken wirklich haben, ihre massiv gestiegenen Kosten für Rohstoffe, Energie und Transport an den Handel und letztlich den Verbraucher weiterzugeben. Krisenzeiten sind Momente, in denen sich zeigt, ob eine Marke hält, was sie versprochen hat. Nichts ist für Marken gefährlicher als gebrochene Versprechen und enttäuschte Erwartungen. Der Spielraum, Kosten zu senken, in dem Nachhaltigkeits- und Fairness-Prinzipien über Bord geworfen werden, ist dementsprechend gering. Preise werden weiter steigen müssen Und so bleiben zwei Auswege: Auf Gewinne verzichten oder den Mut aufbringen, die gestiegenen Preise weiterzugeben. Der Verzicht auf Gewinn wird nur in wenigen Fällen eine Option sein. Zwar waren die Margen bei vielen Produkten im Premiumsegment auskömmlich, aber eben auch nicht so üppig, dass dies unbegrenzt funktionieren kann. Die Preise steigen zudem potenziell auch zukünftig weiter. Mitarbeiter werden mehr Lohn fordern, die Produzenten und Erzeuger für knappere Ressourcen höhere Kosten durchsetzen. Der Endpreis für den Verbraucher muss also zwangsläufig steigen, früher oder später. 32 MAGAZIN 4 2022

VON DREI SEITEN BETRACHTET arken zu hohen Preisen Nicht jeder muss sich jedes Produkt leisten können Die Frage wird nun sein, wieviel Macht Marken wirklich haben, Preise radikal anzuheben und viel mehr als in den letzten Jahren gegen Discountartikel zu bestehen. Gefragt ist jetzt eine Haltung – und Mut, hohe Preise selbstbewusst und selbstverständlich zu präsentieren. Nicht jeder Konsument muss sich schließlich jedes Produkt leisten können. Es könnte die Zeit gekommen sein, in der sich Premiummarken und Premiumprodukte trauen sollten, die Abgrenzung zum Mittelmaß so klar wie nie zu vollziehen und damit die Anschlussfähigkeit an bestimmte Kundensegmente endgültig aufzugeben. Die eigene Marke neu bewerten Die Mitte wird weitgehend sterben. Bestehen bleiben werden Premium und Discount. Es ist an der Zeit, sich zu positionieren und die eigene Marke neu zu bewerten. In Zeiten der extremen Inflation trennt sich die Spreu vom Weizen. Wer mutig genug ist, zu seiner bisherigen Haltung zu stehen, nutzt die Chance, Preise nicht nur sukzessive und verschämt weiterzugeben, sondern gleich so zu erhöhen, dass sie auch in den kommenden Inflationsjahren auskömmlich und hinreichend sind. Selbstbewusstsein und Verantwortung Fünf Prozent Preiserhöhung hier, 20 Gramm weniger Packungsinhalt dort sind keine Strategie, sondern eine Kapitulation. Denn jedes Mal aufs Neue muss man sich gefallen lassen, dass wahlweise eine Verbraucherzentrale oder ein Lobbyverband die Preiserhöhung als unnötig, unsozial oder gar Mogelpackung brandmarkt. Je nachdem, wie hoch die moralische Messlatte liegt, folgen Shitstorms und mediale Kritik. Warum dann nicht gleich einmal richtig? Idealerweise nicht nur mit dem Argument gestiegener Kosten, sondern auch mit dem Selbstbewusstsein einer Marke, die gerade jetzt zu ihren Prinzipien steht und nicht bereit ist, Abstriche bei ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zu machen. Und die hat nun mal einen Preis, der bislang nicht berücksichtigt wurde. Ende der Billigmentalität Denn die heutige Inflation bei Lebensmitteln hat die wesentlichen Komponenten noch gar nicht eingepreist. Noch immer dominiert die Billigmentalität eines Massenkonsums, die letztlich viele Verlierer zurücklässt. Einer in der Kette zahlt den Preis, trotz steigender Kosten. Neben der Kosteninflation sollten Marken die Gelegenheit nutzen, zugleich eine Nachhaltigkeits-, Qualitäts- und Premiuminflation auszurufen. Lebensmittel dürfen, ja müssen den Verbrauchern etwas wert sein – gerade jetzt. Mehr Mut zu hochpreisigen Produkten Dabei dürfen Marken und Hersteller durchaus zwei Risiken eingehen: das Risiko, sich mit dem Handel anzulegen, der seinerseits den Mut aufbringen müsste, viel mehr hochpreisige Ware in die Regale zu legen und sich ebenfalls aus der Argumentation niedriger Preise befreien kann und muss, und das Risiko, Kundengruppen zu verlieren. Es muss sich eben nicht jeder auch jedes Produkt leisten können. Weniger kann mehr sein, auch auf der Ertragsseite. Diese Haltung könnten sich etablierte Marken durchaus leisten. Jetzt wäre die Gelegenheit dazu. Ende der Entwertung Möglicherweise müssten sich hierfür auch verschiedene Marken und Unternehmen zusammentun, eine Bewegung initiieren, die eine Phalanx bildet für hochwertigere Produkte. Marken haben nicht nur eine Verhandlungsmacht, sondern auch eine Kommunikationsmacht. Diese gilt es zu nutzen, um ehrliche Preise zu etablieren – Preise, die auch ökologische Kosten und nachhaltige Lieferketten einbeziehen und nun transparent machen. Der Verbraucher darf sich ruhig daran gewöhnen, dass das, was er konsumiert, einen Wert hat, dass Naturund Flächenverbrauch, gesunde und nachhaltige Produktionsverfahren und Zutaten etwas wert sind. Niedrige Preise mindern den Wert, auch den von Marken. Mehr denn je besteht jetzt die Chance zur Abgrenzung. Krisenprävention notwendig Abgrenzung, sich unterscheiden, ist das Wesen jeder erfolgreichen Marke. Die Strategie der Preiserhöhung über das rein Notwendige hinaus, kann also auch dazu führen, die eigene Marke zu stärken, sie noch mehr aufzuladen mit positiven Idealen und Werten, mit höchsten Ansprüchen an sich selbst und die Konsumenten. Zugleich steigen aber die Erwartungen an eine Marke. Sie wird hinterfragt und ist gerade im Lebensmittelsegment maximal transparent. Wird sie ihren Ansprüchen gerecht? Premium sorgt schließlich für eine gewisse Fallhöhe. Krisenprävention zum Markenschutz ist deswegen notwendig. Insbesondere Lebensmittelmarken brauchen eine starke Kommunikationsabteilung, die in der Lage ist, die Marke, deren Wert und gerade jetzt auch die hohen Preise zu verteidigen. Falk S. Al-Omary Zur Person: Falk S. Al-Omary ist Medien-, Marken- und Politikberater sowie einer der renommiertesten Krisenmanager im deutschsprachigen Raum. www.al-omary.com fng-magazin: Der Markenmonitor für den Lebensmittelhandel 33

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