Aufrufe
vor 1 Jahr

fng Magazin 2/2022

  • Text
  • Mestemacher
  • Detmers
  • Genuport
  • Tobacco
  • Getränke
  • Nonfood
  • Food
  • Harnischcom
  • Fleisch
  • Magazin
  • Deutschland
  • Markenmonitor
  • Clubmaster
  • Unternehmen
  • Produkte
  • Lebensmittelhandel
  • Geschmack
  • Wagner

VON DREI SEITEN

VON DREI SEITEN BETRACHTET Preiswerte Lebensmi in Zukunft wohl nicht Wer gegenwärtig mit offenen Augen durch die Supermärkte schlendert, staunt nicht schlecht. Die Preisschilder an einer Vielzahl von Produkten haben sich verändert. Die Zahlen sind deutlich höher als noch vor einigen Wochen. Erst war es die Corona-Pandemie, die einen Preisschock ausgelöst hatte, nun ist es der militärische Überfall Russlands auf das Nachbarland Ukraine. Zunächst war es der Discounter Aldi, bekanntlich eine der größten Handelsketten in Deutschland, der abermals an der Preisschraube drehte. Schnell zogen die anderen Konzerne wie Lidl, Edeka und Rewe nach. Wer heute den gefüllten Einkaufswagen an der Kasse auspackt, muss tief in die Tasche greifen. Eine Vielzahl von Produkten ist teurer geworden, zumeist im zweistelligen Bereich: Butter um bis zu 50 Prozent, Raps- und Sonnenblumenöl um mehr als 20 Prozent. Gleiches gilt für Fleisch, Wurst, Kaffee und neben der Butter für andere Milchprodukte. Die Preisexplosion kommt nicht von ungefähr. Die Ukraine und Russland zählen zu den bedeutendsten Getreideexporteuren der Welt. Allein die Ukraine hat bisher 88 Prozent der benötigten Sonnenblumenkerne in die Europäische Union geliefert, bei Mais waren es 55 Prozent. Aber auch beim Export von Weizen und Raps haben die beiden osteuropäischen Länder eine führende Position. „Wegen der angespannten Versorgungslage auf den Weltmärkten werden wir Sprünge bei den Verkaufspreisen erleben, die es in dieser Größenordnung noch nie gab“, heißt es bei Aldi. Weizen und andere Getreidesorten sowie Futtermittel sind zurzeit die wesentlichen Preistreiber für die Landwirtschaft. Hinzu kommen die enormen Kosten für Energie wie Öl und Gas. Erzeuger und Verarbeiter können sich deshalb nicht mehr an die ursprünglich mit dem Handel vereinbarten Konditionen halten. Die Preise für Energie und Weizen schießen schlichtweg durch die Decke. Die meisten Handelsketten werden von mittelständischen Unternehmen und auf zunehmenden Wunsch der Kunden von regionalen Betrieben beliefert. Und die müssen die dramatische Verteuerung irgendwie meistern. Das geht nur über höhere Preise, die der Handel dann notgedrungen an die Verbraucher weitergeben muss. Die Nachfrage nach Öl und Mehl stieg ins Unermessliche Dabei wird bei den Landwirten von den höheren Einnahmen gar nicht viel hängen bleiben angesichts der galoppierenden Erzeugerkosten. 38 MAGAZIN 2 2022

VON DREI SEITEN BETRACHTET ttel wird es mehr geben Die augenblicklichen Lieferengpässe bei Getreide und Ölsaaten zeigen sich deutlich in den Regalen des Handels. Die Bereiche, die für Mehl, Sonnen- und Rapsöl sowie für Reis und Nudeln vorgesehen sind, bleiben in vielen Supermärkten leer. Gründe sind einerseits die Komplikationen der Belieferung angesichts ausbleibender Rohstoffe, andererseits die hohe Nachfrage wie schon zu Beginn der Corona- Pandemie. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts war die Nachfrage in der zweiten Märzwoche nach Speiseöl mit einem Plus von 123 Prozent mehr als doppelt so hoch wie im Herbst des vergangenen Jahres. Die Nachfrage nach Mehl verdreifachte sich sogar mit einem Anstieg von 206 Prozent. Ursache dafür sind Panikkäufe. Deshalb rationieren viele Supermärkte den Verkauf von Grundnahrungsmitteln. Ein Kunde darf also beispielsweise nur drei Päckchen Mehl oder zwei Flaschen Speiseöl erwerben. Doch derlei Praktiken sind natürlich wirkungslos. Denn der Kunde kann ja den Laden wieder betreten und an einer anderen Kasse die gleiche Menge an Produkten entgegennehmen. Obwohl die Preise für die meisten Lebensmittel derzeit steigen und in vielen Regalen kein Mehl und Öl mehr zu finden ist, gilt die grundsätzliche Versorgung für alle Menschen in Deutschland als nicht gefährdet. In dieser Einschätzung ist Ernährungsminister Cem Özdemir mit den Landwirten und der Lebensmittelbranche einer Meinung. Not macht erfinderisch. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geht auf diesem Weg voran und versucht, neue Quellen für die Gasversorgung Deutschlands zu finden, um die Abhängigkeit vom Kriegstreiber Russland zu reduzieren. Die Europäische Union hat ja schon den Stopp von Kohlelieferungen in die Gemeinschaft beschlossen. Zu viel Getreide landet in den Futtertrögen Aber es gibt weitere Möglichkeiten, sich von Energielieferungen aus Russland unabhängig zu machen. Eine Rechnung dafür hat die Umweltorganisation Greenpeace aufgestellt. Die zentralen Hebel wären die Verringerung der Nutztierzucht um zehn Prozent und die Abschaffung der Erzeugung von Bioethanol für Kraftstoff. „Wenn wir in Europa zehn Prozent weniger Tiere hätten, stünde uns automatisch so viel Weizen zur Verfügung, dass wir die gesamten Exportausfälle von Getreide aus der Ukraine ersetzen könnten“, heißt es bei Greenpeace. Die EU produziert gegenwärtig 160 Millionen Tonnen Getreide, die als Futtermittel genutzt werden. „Zehn Prozent davon sind 16 Millionen Tonnen, genau so viel wie die Ukraine aktuell exportiert“, sagt die Organisation. Allein in Deutschland würden fast 60 Prozent des auf unseren Äckern produzierten Getreides, also 25 Millionen Tonnen, an Tiere verfüttert. Weitere 8,9 Prozent fließen in den Biosprit. Gerade mal knapp 20 Prozent des Getreides geht in die Ernährung und wird zum Brotbacken genutzt. Die Rechnung geht noch weiter: Bei uns in Deutschland fließen zwölf Liter Rapsöl pro Kopf und Jahr in die Tanks der Autos. Zwölf Liter Rapsöl aber würden jedem locker reichen, um davon ein ganzes Jahr seine Speisen zu erstellen. Rapsöl ist ein gesunder Ersatz für Sonnenblumenöl, falls dessen Exporte aus der Ukraine wegfallen sollten. „Frisches Öl wie Raps-, Soja- oder Palmöl gehören nicht in den Tank, sondern auf den Esstisch“, empfiehlt Greenpeace der Politik. Eine ähnliche Meinung vertritt Landwirtschafts- und Ernährungsminister Cem Özdemir. Er hält es nicht für vertretbar, dass in Deutschland 60 Prozent des Getreides in Futtertrögen landen. Und er ist der Meinung, dass es nicht nachhaltig sei, Weizen und Mais in Sprit zu verwandeln, während Millionen von Menschen auf der Erde Hunger leiden müssen. Wir haben in unserem Land gegenwärtig eine Inflationsrate von mehr als sieben Prozent. Sie ist so hoch wie in der Ölkrise in den 70iger Jahren, als der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt die noch immer im Gedächtnis bleibenden sonntäglichen Auto-Fahrverbote verhängte. Die Preise für unsere Lebensmittel werden zwangsläufig weiter steigen. Billige Produkte für den täglichen Bedarf wie in unbeschwerten Zeiten der Vergangenheit wird es nicht mehr geben. Tatsächlich müssen viele Menschen den Gürtel enger schnallen, sollte der Staat keine Unterstützung anbieten. In Sachen Benzin hat er sie ja angekündigt, was besonders Pendlern zugutekommen würde. Ein Zustand wie vor dem russischen Überfall auf die Ukraine ist wohl ziemlich ausgeschlossen. Zu sehr haben uns die wirtschaftlichen Auswirkungen dieses unsinnigen Krieges – ganz zu schweigen von dem schrecklichen Leid der Menschen in den umkämpften Regionen – getroffen. Dieser inzwischen weltpolitische Konflikt lehrt, dass sich demokratisch geführte Länder niemals in die Abhängigkeit von Diktaturen wie Russland begeben dürfen, auch was die Versorgung mit Grundnahrungsmittel betrifft. Da hat unser Landwirtschaftsminister einen guten Tipp. Er sagt: „Alle Gesundheitsexperten empfehlen uns, weniger Fleisch zu essen, stattdessen mehr Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte. Das ist ein Beitrag zur eigenen Gesundheit und zum Klimaschutz.“ Er hat nicht Unrecht. Weniger Tiere auf den Flächen bedeuten mehr Agrarland für Getreide und weniger Importe dieser lebenswichtigen Rohstoffe. fng-magazin: Der Markenmonitor für den Lebensmittelhandel 39

Wählen Sie die gewünschte Fachzeitschrift

fng MAGAZIN - Food · Nonfood · Getränke · Tobacco