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fng Magazin 1/2022

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VON DREI SEITEN

VON DREI SEITEN BETRACHTET Ernährung 2050 – Die nächste Krise ist schon im Anmarsch. Noch bewegt sie uns nur peripher, sie ist schleichend wie der tückische Auftritt des Corona-Virus, aber wird uns – vielleicht noch nicht in den kommenden Jahren, aber spätestens im nächsten Jahrzehnt - mit Wucht treffen: Die Zunahme und Veränderung der Weltbevölkerung und ihrer Ernährung vor dem Hintergrund des argumentativ nicht mehr bestreitbaren Klimawandels. Seit über zwei Jahren beherrscht die zermürbende Corona-Pandemie unser tägliches Leben, bringt schreckliche Schicksalsschläge in Familien auf der ganzen Welt, führt zu unversöhnlichen Streitigkeiten zwischen Geimpften, die ihre Solidarität gegenüber der Gesellschaft unterstreichen und den Ungeimpften, die auf ein ihrer Meinung nach unverbrüchliches Freiheitsrecht pochen. Irgendwann – hoffentlich schon bald – wird er vorbei sein, dieser Covid-19 Überfall auf die Menschheit. Wir werden den Ballast des Maskentragens, der Schließung von Theatern und Kinos, der Zuschauerausschlüsse von Fußballspielen und der Besuchseinschränkungen von Bars und Restaurants wie lästiges Gepäck von unseren Schultern schütteln. Endlich geht das Leben weiter wie vor der Pandemie. Alles wird wieder so, wie es war! Doch wir sollten uns nichts vormachen. Die nächste Krise ist schon im Anmarsch. Gegenwärtig leben auf der Erde etwa 7,84 Milliarden Menschen. Schon 2050 werden es fast zehn Milliarden sein. Nach Prognosen der Vereinten Nationen müsste bis dahin die Nahrungsmittelproduktion um rund 70 Prozent gesteigert werden, um rund um den Globus alle Frauen, Kinder, Männer sättigen zu können. Doch wir erleben egoistische Staaten, die alle Rohstoffe im Innern ihrer Regionen ihr eigen nennen, Länder, die rigoros Regenwälder abholzen, die der ganzen Erde doch großen Nutzen bringen, Staaten, die auf übelste Weise fossile Brennstoffe abbauen und damit sogar der eigenen Bevölkerung schaden, zudem gigantische CO ² Emissionen in die Atmosphäre schleudern. 1950 hatte statistisch betrachtet jeder Bürger der Erde für seine Ernährung eine Agrarfläche von fast einem halben Hektar zur Verfügung, 2050 werden es nur noch 0,15 Hektar sein. Bis 2050 werden laut Prognose der UNO 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Nicht allein wegen der verschlechterten Klimabedingungen, sondern auch, weil die Menschen in ihren heimatlichen Umgebungen keinen Ausweg aus der Armut mehr sehen. Zugleich aber nimmt der Wohlstand in den urbanen Regionen zu. Dies führt zu einem enormen Mehrbedarf an Nahrungsmitteln, auch an tierischen Produkten. Keine Ramschpreise für Lebensmittel und Agrarprodukte Doch wie soll das gehen? Werfen wir einen Blick auf Deutschland. Aus dem All betrachtet wirkt die Bundesrepublik eher als kleiner Punkt. Doch wirtschaftlich gesehen hat sie auf dem Globus eine enorme Bedeutung. Also schaut man aus aller Welt auch mit Interesse auf die künftige Politik der neuen Regierung nach der Ära von Angela Merkel. Und die Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Freien Demokraten, salopp die Ampel genannt, hat sich hehre Ziele gesetzt, 24 MAGAZIN 1 2022

von drei seiten betrachtet Wie wird die Menschheit in der Zukunft satt? allen voran Cem Özdemir, jetzt Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Jahrelang war er Europaparlamentarier und kennt sich natürlich aus auf dem Feld der weltweiten Ernährung. Sein Credo: „Es darf keine Ramschpreise für Lebensmittel und Agrarprodukte mehr geben. Sie treiben Bauernhöfe in den Ruin, verhindern mehr Tierwohl, befördern das Artensterben und belasten das Klima.“ Özdemir, der erklärter Vegetarier ist, plant staatliche Eingriffe in die Produktion, die für mehr Tier- und Klimaschutz sorgen, aber auch die Preise in die Höhe treiben. Als Ausgleich für die Erzeuger sind Investitionsförderungen vorgesehen. Gute Haltungsbedingungen sollen also belohnt werden. Außerdem will er eine verbindliche Tierwohlkennzeichnung einführen. So können Verbraucher im Supermarkt selbst entscheiden, ob sie für bessere Haltungsbedingungen mehr Geld auf den Ladentisch legen wollen. Die höheren Kosten für eine artgerechtere Haltung sollen nach den Vorstellungen des Ministers durch ein – wie er sagt – Marktteilnehmer getragenes System zügig entwickelt werden. Klarheit sieht anders aus. Handelsketten sind da schon weiter. Weil die letzte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, CDU, sich für ein allgemein gültiges Siegel für Tierwohl nicht durchringen ließ, führten die Marktriesen Aldi, Lidl, Kaufland, Edeka, Netto, Rewe und Penny gemeinsam mit der Initiative Tierwohl ein eigenes Kennzeichnungssystem ein. Es reicht von der Stufe 1, wenig Bewegungsraum für die Tiere, bis zur Stufe 4, große Bewegungsfreiheit und Auslauf im Freien (fng berichtete). Aldi geht jetzt noch einen Schritt weiter und will nur noch Milch aus den höchsten Haltungsstufen beziehen. Dies treibt nun die Landwirte auf die Palme. Sie befürchten, auf den Mehrkosten für den Umbau ihrer Betriebe sitzen zu bleiben. Mit zwei, drei Cent mehr für den Liter Milch lässt sich kein Stallumbau finanzieren, heißt es, viele kleinere Milchbauern werden dichtmachen müssen. Schon aus derlei Streitereien lässt sich ableiten, wie schwer es Özdemir haben wird, wenn er seine Absichten in Gesetze gießen will. Zum Beispiel, den Bio-Landbau in Deutschland von jetzt zehn auf 30 Prozent der Agrarfläche bis Ende des Jahrzehnts zu erweitern. Auch hier gibt es in der Landwirtschaft große Vorbehalte. Denn die Bauern wissen ja gar nicht, wenn sie ihre Höfe auf Bio umstellen, ob ihre Öko- Produkte unter den Verbrauchern auch genügend Abnehmer finden. Bio ist unter den Konsumenten zwar im Aufwind, aber die Thermik lässt doch noch sehr zu wünschen übrig. In Deutschland sinkt der Fleischkonsum seit Jahren Immerhin: Die Ziele des Landwirtschaftsministers stoßen nicht nur auf Kritik, sondern auch auf Sympathie in Teilen der Bevölkerung, besonders bei der jungen Generation. Laut einer Studie ernähren sich gegenwärtig knapp 13 Prozent der 15- bis 29jährigen vegetarisch oder vegan, doppelt so viele wie in der Gesamtbevölkerung. Und 90 Prozent von ihnen lehnen die gegenwärtigen Standards der Tierhaltung teilweise oder gänzlich ab. Überhaupt sinkt der Fleischkonsum in Deutschland seit Jahren. 2020 lag der Pro-Kopf-Verbrauch bei 57,3 Kilo. 2018 waren es noch vier Kilogramm mehr. Zum Vergleich: In den USA gönnt sich jeder Einwohner – statistisch gesehen – 100 Kilogramm pro Jahr. Es ist gewiss lobenswert, dass sich bei uns der Trend zu einer gesünderen Ernährung allmählich auch in Zahlen darstellen lässt. Aber gemessen an den künftigen Problemen der Welternährung ist das nicht mehr als ein Erbschen auf einem riesengroßen Teller. Um die erdumfassend angestrebten Klimaschutzziele bis 2030 zu erreichen, müssten allein die Industrieländer ihren Fleischverbrauch um mindestens 50 Prozent verringern. Doch auf unserem Globus steigt er stattdessen unaufhaltsam, laut Prognosen bis 2050 sogar um über 70 Prozent. Viele Unternehmen weltweit bemühen sich deshalb, den Menschen Alternativen zum herkömmlichen Fleisch anzubieten. Die einen setzen auf Produkte, die praktisch den Geschmack von echtem Fleischverzehr bieten, andere schwören auf die unendlichen Ernährungsmöglichkeiten, die Insekten bieten (fng berichtete). Schon mehr als zwei Milliarden Menschen auf der Erde bevorzugen Insekten als Leckerbissen. Doch die leben vornehmlich in Asien. Im Westen hingegen wird es eher schwierig, den Verbrauchern diese kleinen – übrigens äußerst nahrhaften – Tierchen näher zu bringen. Auch Algen werden als sinnvolle Nahrungsquelle der Zukunft genannt. Fakt ist: Die gegenwärtige Tierhaltung hat als eine der größten Treibhausquellen enorme negative Auswirkungen auf unsere Umwelt. Fakt ist auch: Die gewaltigen Monokulturen auf den Agrarflächen dieser Welt nutzen die Nährstoffe im Boden nur einseitig, müssen also mit Pestiziden und Herbiziden bearbeitet werden und tragen massiv zum Artensterben bei. Ernährung 2050, da braucht es noch viel Intelligenz und Phantasie, um sie hinzukriegen. Ohne Konflikte hoffentlich. fng-magazin: Der Markenmonitor für den Lebensmittelhandel 25

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