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element+BAU 2/2022

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element + BAU - Die Fachzeitschrift für Objektbau behandelt den Gesamtbereich des Objektbaus. Der Bau von öffentlichen Gebäuden, wie Schulen, Kindergärten und Verwaltungsgebäuden hat ebenso seinen Platz wie der großflächige Wohnungsbau und der Industriebau.

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objekte Klimaschutzsiedlung in Neuss Kalte Nahwärme: CO 2 -arme Energie der Zukunft Die Stadt Neuss, zentral gelegen zwischen Düsseldorf und Köln, ist die Heimat von knapp 160.000 Menschen und ein wichtiger Standort zahlreicher Unternehmen und Industrien. Immer mehr Menschen zieht es in dieses Ballungsgebiet – bezahlbarer, aber zugleich klimafreundlicher Wohnraum ist gefragter denn je. Seit 2017 entsteht im Stadtteil Holzheim die erste Klimaschutzsiedlung der Stadt Neuss. Gefördert wird das Projekt durch das Landesprogramm „100 Klimaschutzsiedlungen in Nordrhein-Westfalen". An dem komplexen Energiekonzept für diese Siedlung haben die Stadtwerke Neuss in Zusammenarbeit mit dem Tochterunternehmen gc Wärmedienste GmbH mitgewirkt. Die ca. 52 Einfamilien- und Doppelhäuser im östlichen Teil der Siedlung werden durch nahezu CO 2 -emissionsfreie geothermische Wärme versorgt. Der Fokus der Stadtwerke Neuss liegt auf der Erschließung des Sondenfeldes und dem Transport der kalten Nahwärme. Ein zukunftsweisendes Projekt, das im Vorfeld einiger Planung bedarf. Angesichts der fortschreitenden Klimaveränderung ist es sinnvoll, bei dem Bau neuer Wohnsiedlungen nicht nur die vom Gesetzgeber geforderten energetischen Standards einzuhalten, sondern mit höheren energetischen Standards zu planen. Die vom Land Nordrhein- Westfalen geförderte Klimaschutzsiedlung am Blausteinsweg in Neuss ist ein Paradebeispiel für innovativen und klimafreundlichen Wohnungsbau. Ziel des Projektes ist es, die wärmebedingten CO 2 -Emissionen in Wohnsiedlungen und somit auch die Energiekosten konsequent zu reduzieren. Alle Wohnhäuser auf dem ca. 10 ha großen Gelände sind als Passiv-Häuser oder auch als sogenannte 3-Liter-Häuser geplant und errichtet. Die Gebäude kommen mit einem Minimum an Heizenergie aus und trotzdem bieten sie den Bewohnern im Sommer wie im Winter eine angenehme Wohnraumtemperatur. Dies wird vor allem durch eine sehr gute Wärmedämmung erreicht. Um den hohen Standard zu garantieren, wurden im Vorfeld alle Erwerber verpflichtet, bei der Umsetzung des Konzeptes der Klimaschutzsiedlung einen fachkundigen Architekten/Sachverständigen zu beauftragen. Zusätzlich zu der hervorragenden energetischen Ausstattung der Häuser ist in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Neuss ein umfassendes Energiekonzept für eine zentrale Wärmeversorgung entstanden. Unterstützt wurden der lokale Energiedienstleister von den Experten der gc Wärmedienste GmbH, ein Tochterunternehmen mit umfassender Expertise in der Umsetzung regenerativer Energielösungen. Hierfür wurden zunächst in allen Häusern Sole-Wasser-Wärmepumpen installiert. Die innovative Wärmepumpentechnik gewinnt über Erdsonden Wärme aus dem Erdreich. Sie zeichnet sich nicht nur durch ihre Umweltfreundlichkeit aus, sondern auch dadurch, dass sie die Kosten für die Aufbereitung von Brauchwasser und Heizenergie deutlich senkt. Alle Einfamilien- und Doppelhäuser im östlichen Teil werden über ein kaltes Nahwärmenetz mit der geothermischen Wärme versorgt. Erdwärme aus 200 m Tiefe Die Einfamilien- und Doppelhäuser der Klimaschutzsiedlung Blausteinsweg werden durch fast CO 2 -emissionsfreie geothermische Wärme versorgt. Bildnachweis (alle Bilder): Stadtwerke Neuss Energie & Wasser GmbH Mit Hilfe von 24 Erdsonden wird Erdwärme aus 200 m Tiefe gewonnen und damit das Kalte Nahwärmenetz betrieben. Über ungedämmte Rohre gelangt die Erdwärme zu den angeschlossenen Neubauten. In den Häusern heben die Wärmepumpen die Temperatur auf ungefähr 35° C für die Heizung an und garantieren zusätzlich eine ausreichende Warmwasseraufbereitung. Im Sommer kann das System auch zur Temperierung der Räume genutzt werden. Durch die Flächenheizungen wird kühles Wasser geschickt, das auch an warmen Tagen für eine angenehme Raumtemperatur sorgt. „Erdwärme als primäre Energiequelle hat die Vorteile, dass die Nutzung kostenlos ist und immer zur 34 element + BAU • 2/2022

objekte Mit Hilfe von Erdsonden wird Fernwärmewasser auf circa 10 Grad Celsius erwärmt (1.) und in ein kaltes Nahwärmenetz eingespeist (2.). Wärmepumpen erzeugen daraus dann die notwendige Wärme zur Beheizung und der Trinkwassererwärmung der einzelnen Häuser (3.). In der Technikzentrale wird die gewonnene geothermische Energie gesammelt und anschließend verteilt. Verfügung steht,“ betont Roland Gilges, Leiter Abteilung Energiedienstleistungen bei den Stadtwerken Neuss. „Fossile oder nachwachsende Brennstoffe wie Pellets werden nicht benötigt. So schonen Haushalte die Umwelt und machen sich gleichzeitig unabhängig von den Preisschwankungen fossiler Energieträger.“ Bei der Planung des Erdsondenfelds wurde der Neusser Energiedienstleister zum einem von dem Sachverständigenbüro Dr. Mathews GmbH unterstützt. Die Firma aus Aachen hat sich auf die Planung und Ausschreibung von Erdwärmeanlagen spezialisiert und hat bereits 1.200 Projekte erfolgreich geplant und umgesetzt. Die Experten übernahmen nicht nur die Auslegung des Erdsondenfelds, sondern auch die Ausschreibung der Bauleistungen und die Qualitätssicherung bei den Bohrarbeiten. Der zweite Partner, das Unternehmen BauGrund Süd Gesellschaft für Geothermie mbH, hat die Planung der Erdsondenanlage einschließlich dem Verteilersystem und den Rohrleitungen übernommen und im Anschluss die Bohrungen durchgeführt. Das in Baden-Württemberg ansässige zertifizierte Bohr- und Rohrleitungsbauunternehmen hat insgesamt 26 Bohrungen – davon 2 Reservebohrungen – mit je einer Tiefe von ca. 200 Metern abgeteuft. In die Bohrung wurde eine Sonde aus einem Kunststoffrohr eingeführt und mit einem Gemisch aus Wasser und Frostschutz, der sogenannte Sole, gefüllt. Die Sole nimmt die Energie aus dem Erdreich auf und transportiert sie zur Wärmepumpe. Die Regeneration erfolgt durch eine ständige Zirkulation der Sole. Ein wichtiges Thema bei dem Einsatz von Erdsonden ist der Grundwasserschutz. Um diesen zu gewährleisten, wurde der Bereich zwischen Bohrlochwand und Erdsonde mit einem umweltfreundlichen Spezialmörtel verschlossen. Technikzentrale versorgt Häuser Von den Erdsonden aus laufen die einzelnen Leitungen in eine von den Stadtwerken Neuss betriebene Technikzentrale. In dieser Technikzentrale sorgen drei Pumpen für die zuverlässige Versorgung der Häuser. Im Falle eines technischen Ausfalls einer Pumpe sind die anderen beiden Pumpen in der Lage, diesen Ausfall zu kompensieren und die Versorgung weiterhin sicherzustellen. Sowohl die Planung als auch die Durchführung der Rohrleitungsverlegung erfolgte durch die Stadtwerke Neuss. Der Hausanschluss für die im Gebäude zu installierende Wärmepumpe wurde zusammen mit den Anschlüssen für Trinkwasser, Strom und andere Medien koordiniert und entsprechend dem Baufortschritt des einzelnen Gebäudes verlegt. Die Systeme können modulweise um Photovoltaikanlagen, Batteriespeicher, Wärmerückgewinnungsanlagen und kontrollierte Wohnraumlüftung erweitert werden. Dadurch ist eine annäherungsweise autarke Energieversorgung möglich und es werden CO 2 -Emissionen nahezu vermieden. Wünscht der Gebäudeeigentümer einen Voll-Service, können die verschiedenen Energielösungen auch über das Contracting-Modell der Stadtwerke Neuss realisiert werden. Die Versorgung der Klimaschutzsiedlung mit Erdwärme ist nicht nur nachhaltig und ressourcenschonend, sondern auch kostengünstig. „Für die Hausbesitzerinnen und -besitzer ergibt sich der große Vorteil der geringeren Energiekosten. Schließlich wird kostenlose Wärme aus dem Boden genutzt,“ zieht Roland Gilges Bilanz. Hoher energetischer Gebäudestandard sorgt für Werterhalt „Außerdem sichert der höhere energetische Gebäudestandard den Besitzerinnen und Besitzern in Zukunft einen größeren Werterhalt ihrer Häuser.“ Nicht zuletzt bietet die Möglichkeit, Solarstrom auf den Dächern zu erzeugen, eine weitere Verbesserung der eigenen Energiebilanz und der der Stadt Neuss. Ein Konzept, das sich auszahlt: Die CO 2 -Emissionen in der Klimaschutzsiedlung sind extrem gering – sie liegen mit jährlich max. 9 kg/m² ca. um 60 % niedriger als die EnEV 2014 für den Wohnungsbau vorgibt. Roland Gilges ist überzeugt von dem zukunftsweisenden Projekt: „Das Quartier ist ein Musterbeispiel für nachhaltiges und energieeffizientes Bauen. Die Stadtwerke Neuss zeigen, wie Umweltschutz in der Praxis aussehen kann. Mit dem zukunftsorientierten Konzept „Kalte Nahwärme“ wird ein ganzes Wohngebiet und damit auch die Stadt Neuss klimafreundlicher.“ element + BAU • 2/2022 35

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