Bearbeitungsprozesse Bin Picking leicht gemacht Bin Picking spielt in der Automation eine immer größere Rolle. Der „Griff in die Kiste“ zählt dabei zu den schwierigsten Aufgaben: Der Roboter muss unterschiedliche, auch chaotisch angeordnete Objekte mit teilweise komplexen Geometrien erkennen, kollisionsfrei aus dem Behälter entnehmen, in eine orientierte Lage bringen und an die Maschine übergeben. Die Einrichtung des Zusammenspiels zwischen Bauteilen, Kiste und Greifer erfordert eine Menge Erfahrung und Know-how des Bedieners. Daher ist die Implementierung von Bin Picking-Lösungen für Anwender und Anwenderinnen eine große technologische Herausforderung. Ohne Unterstützung durch den Systemhersteller oder Integrator geht es in den meisten Fällen nicht. Wie wäre es aber, wenn das System lernfähig wäre und die Parameter bei der Einstellung oder sogar im laufenden Betrieb selbstständig anpassen könnte? Die Liebherr-Verzahntechnik GmbH, ein führender Hersteller von Automationslösungen, hat sich mit dieser Frage beschäftigt und arbeitet an einer Weiterentwicklung der eigenen Software LHRobotics. Vision. Mittels Künstlicher Intelligenz (KI) vereinfacht diese die Parametrierung für den Bediener erheblich. „Wir wollen das ‚Bin Picking für jedermann‘ ermöglichen“, fasst Jürgen Groß, Vertriebsleiter Flexible Fertigungs- und Automationssysteme bei Liebherr, das Ziel des Projekts zusammen. Liebherr ist bekannt als Hersteller kompletter Roboterzellen mit integrierter Bin Picking-Software. 2020 entschloss sich das Kemptener Unternehmen, die Software als eigenständiges Produkt anzubieten. Damit lässt sie sich auch in Anlagen anderer Hersteller verwenden – was sie sowohl für Endanwender als auch für Integratoren attraktiv macht. Das Technologiepaket umfasst neben der grafisch geführten, intuitiv bedienbaren Software auch ein projektorbasiertes 3-D- Kamerasystem. Dieses ermöglicht eine objektorientierte Bilderkennung durch Auswertung einer 3-D-Stereo-Vision-Aufnahme. Aus den 3-D-Daten der Bauteile und den Störkonturen der realen Kisten wird eine Punktewolke erzeugt, die als Basis für die Bahnplanung der kollisionfreien Bauteilentnahme dient. Die gewünschten Greifpunkte am Bauteil lassen sich einfach grafisch in der Software festlegen, das aufwändige Anlernen des Roboters entfällt. Ein besonderes Feature ist das optionale Simulationstool LHRobotics.Vision Sim. Mittels Physics Engine wird eine Kistenbefüllung simuliert, anschließend eine virtuelle Punktewolke erzeugt und ausgewertet. Damit kann der Anwender oder die Anwenderin rein virtuell die Greifergeometrie anpassen und Abläufe optimieren, um einen verbesserten Entleerungsgrad auch tiefer Kisten zu erzielen – ohne Risiko und ohne teure Investitionen in eine Test-Hardware. Ein neues Release der Software LHRobotics. Vison ermöglicht durch Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen das automatische Einrüsten neuer Bauteile in den Bin Picking-Prozess – ein Quantensprung in dieser Technologie. Dabei berechnet das System auf Basis realer Scan-Daten die geometrischen Parameter der Bauteile und analysiert die Auflösung und das Rauschverhalten des Sensors. Anschließend werden aus diesen Scan-Daten Testmessungen generiert, mit deren Hilfe dann die optimalen Einstellparameter ermittelt werden. Das vereinfacht Prozesse und spart Zeit und Kosten. Indem das System sich beim Einrüsten mit jedem Scan selbst trainiert, schafft es die Grundlage für den nächsten Schritt: das maschinelle Lernen im laufenden Betrieb. „Viele Anwender schrecken heute noch vor dem Bin Picking zurück, weil es angeblich so komplex sei und man sich diese Baustelle nicht ins Haus holen wolle. Mit dem neuen Software-Release können wir nun unseren Anwendern und Integratoren diese Ängste weiter nehmen“, so Jürgen Groß und erläutert weiter: „Wir sehen den Paradigmenwechsel in der ganzen Branche auch als Chance: Aufgrund des Umbruchs im Automotive-Sektor und der Umstellung auf E-Mobilitätsanwendungen müssen wir uns den neuen Herausforderungen stellen.“ So setzt Liebherr schon heute auf Vision-Systeme mit Künstlicher Intelligenz für das prozesssichere, automatische Stecken von biegeschlaffen Kabelverbindungen – beispielsweise den Modulverbindern der Batteriepacks von E-Fahrzeugen. Die Veränderungen durch die E-Mobilität betreffen nicht nur den Antriebsstrang, sondern auch Karosserien, die zunehmend in Leichtbauweise gefertigt werden. Auch hier setzt Liebherr erfolgreich auf LHRobotics. Vision bei der Kommissionierung und Entnahme von Blechbauteilen. weitere Infos: www.liebherr.com 38 dihw 14 3 · 2022
Komponenten & Zubehör Revolutionäre Bewegung Wer etwas bewegen will, der muss die Bewegung auch steuern können. Positionierbewegungen im Nanometerbereich erfordern eine hochpräzise Steuerung. Aerotech ist seit über 50 Jahren auf Motion Control und Positioniersysteme spezialisiert. Die eigenen Software-Entwickler in Pittsburgh bringen geballtes Knowhow in der Programmierung von Softwarelösungen für die Bewegungssteuerung mit: Jüngstes Resultat ist die Steuerungsplattform Automation1, die im aktuellen Release 2.2 mit etlichen neuen Features aufwartet. Ob bei mechanischen Anwendungen, Automationslösungen oder bei additiven Fertigungsverfahren überall steckt Antriebstechnik und Bewegung drin. Scharen von Konstrukteuren machen sich tagein tagaus Gedanken darüber, wie sich bestimmte Komponenten, Werkzeuge, Werkstücke und vieles mehr in ihren Anwendungen zielgerichtet und exakt Der neue Hex150 von Aerotech: Auch die Simulationssoftware „HexGen Hexapod“ ist in die Steuerungsplattform Automation1 integriert. Damit lassen sich sowohl Simulationen als auch Kolissionsbetrachtungen durchführen. bewegen lassen. So breit wie die Anwendungsbereiche, so unterschiedlich sind die Positionierlösungen, die sich am Markt etabliert haben. Das geht von einfachen einachsigen bis hin zu komplexen mehrachsigen Systemen. So ein komplexes System sind zum Beispiel Hexapoden, die ihre „Füße“ in sechs Freiheitsgraden relativ frei bewegen wollen. Insbesondere in der Mikroskopie, der Messtechnik oder auch in der Elektronikindustrie und Medizintechnik ist oft eine hochpräzise Positionierung im Nanometerbereich erforderlich. Genau ist noch längst nicht präzise Die Positioniergenauigkeit lässt sich über drei Parameter steuern: den Antrieb, die Führungen und die verwendete Bewegungssteuerung. „Bei einer Positionierung bis auf Nanometer können Antriebe und Führungen noch so genau sein, das Mü am Genauigkeitsrädchen macht die Steuerungssoftware aus“, weiß Nobert Ludwig. Der Geschäftsführer der Aerotech GmbH kann auf eine jahrzehntelange Erfahrung zurückblicken. „Wir können sicherlich mit einem extrem hohen konstruktiven und kostspieligen Aufwand schon recht viel erreichen, letztendlich muss die Software das System exakt aussteuern und positionieren können.“ Eine für alles Wichtige Features des neuen Automation1 Release 2.2 Die Software-Entwickler von Aerotech haben deshalb mit Automation1 eine Bewegungssteuerungsplattform entwickelt, die auch die gesamte Peripherie mit einbinden kann. Sie soll nach und nach die bisherigen Aerotech-Steuerungsplattformen A3200, Ensemble und Soloist ablösen. „Neue Positioniersysteme liefern wir nur noch mit Automation1 als Steu- ‣ Machine Apps HMI-Entwicklungstool anstelle bisheriger CNC-Bedienoberfläche ‣ EtherCAT-Kompatibilität zur Anbindung SPS-basierter Systeme ‣ Verbesserte Schnittstellen mit zusätzlichen Labview-VIs und einer Python-API ‣ Verbesserung der Dynamic Controls Toolbox (eine beliebte Funktion aus der A3200-Steuerung), welche die Aerotech-Funktionen Harmonic Cancellation, Command Shaping und Cross-axis Feedforward vereint ‣ Schrittmotorsteuerung mit geschlossenem Regelkreis ‣ Anlagenweite Sicherungs- und Wiederherstellungsfunktionalität durch Verwendung der erweiterten API-Funktionalität von Aerotech Norbert Ludwig, Geschäftsführer bei der Aerotech GmbH, Fürth: „Wir haben die Bewegungssteuerung revolutioniert, unsere Automation1 ist weit mehr als eine Bewegungssteuerungsplattform und kann als komplette Maschinensteuerung verwendet werden und dabei sämtliche Komponenten mit einbinden.“ erungsplattform aus“, betont Nobert Ludwig. „Allein schon die einfach zu erlernende und zu verwendende Architektur macht es den Nutzern deutlich leichter mit Automation1.“ Damit der Antrieb stimmt Auch andere neue Funktionen in Release 2.2 haben es in sich. Zwar baut das neue Release auf den vorherigen Versionen auf, beeindruckt jedoch durch einzigartige Features. So wird die bisherige CNC-Bedienoberfläche durch das neue „Machine Apps HMI-Entwicklungstool“ ersetzt. Mit dem vollständig anpassbaren Tool setzt Aerotech neue Maßstäbe bei Benutzerschnittstellen für Antriebssysteme. Auch für eine nahtlose Integration von SPS-basierten Systemen ist mit der EtherCAT- Kompatibilität gesorgt. Damit hat Aerotech die Optionen für hochpräzise Bewegungsprozesse auf SPS-Systeme erweitert, wenn diese in einem herkömmlichen System mit geringerer Präzision eingebettet sind. „Mit dem neuen Release 2.2 der Automation1 fungiert diese nun als komplette Maschinensteuerung mit sämtlichen Komponenten und bietet somit deutlich mehr als eine reine „Bewegungssteuerung“, so das Fazit von Norbert Ludwig. weitere Infos: www.aerotech.com dihw 14 3 ·2022 39
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