Werkstoffe „Poly – poly – oder was?“ 15. Teil: Diamant contra Diamant? – Eine Betrachtung der vielseitigen Möglichkeiten Horst Lach, Geschäftsführer und CEO von LACH DIAMANT hat sich bereit erklärt, über die Entwicklung von Diamant- und CBN-Werkzeugen und -Schleifscheiben in einer modernen Industrie in einer fortlaufenden Serie zu berichten. Horst Lach gilt als wahres Urgestein der Branche und wir freuen uns, dass der Pionier aus seiner über 60-jährigen Berufserfahrung in der Welt der Diamant-Werkzeugindustrie plaudern wird. Dieses Mal betrachtet er die vielseitigen Möglichlichkeiten des Diamanten. Erwarten Sie bitte heute nicht die Aufstellung einer neuen These zum Thema DIAMANT, dem (noch) härtesten aller Dinge. Als Natur-Diamant – auch Adamas, der Unbezwingbare genannt – in Jahrmillionen unter Druck und Hitze in unserer Mutter Erde gewachsen und von Menschen aus der Tiefe ans Licht dieser Welt geholt. Ingenieurskunst machte es in den 1950er Jahren möglich, diesen Natur- Prozess in der Synthese nachzustellen. Dem Hersteller General Electric gelang es unter fast 6.900 bar Atmosphärendruck und 3.500° Celsius erfolgreich, den sogenannten „Man Made“ Diamant zu züchten. Eine Entwicklung, die für die im schnellen Ausbau begriffene serienherstellende Industrie zu einer weiteren industriellen Revolution führen sollte. „Diamanten“ sind aus unserer heutigen Welt also nicht mehr wegzudenken. Wegen ihrer Härte und Unbezwingbarkeit – als entscheidender Kostensenker für unzählige Werkzeuganwendungen in der Industrie – und wegen ihrer brillierenden, unvergänglichen Schönheit als Schmuck für die so wertgeschätzten Frauen. Es beginnt beim Schmuckstein Folge ich der Fragestellung „Diamant contra Diamant?“ werde ich heute im Jahre 2021 bereits bei Diamant als begehrter Schmuckstein (leider) fündig. Beispielsweise wird kein Käufer eines ge- Diamant contra Diamant – am Beispiel Natur-Diamant zu polykristallinen Diamant- Schneiden (PKD). schliffenen Diamanten (Brillanten) mit einem Gewicht eines halben Karates (1 ct = 0,2 Gramm) erwarten, dass er für einen ganzen Karäter „nur das Doppelte“ auf den Tisch legen muss – abgesehen von der Karat-Größe und Reinheit dieses Steins wird er auch für die Seltenheit gefundener großer Diamanten bezahlen müssen. Soweit das bisherige Diamant-Schmuckgeschäft, das von Natur-Diamanten seit Generationen geprägt wurde. Das „Contra“ bietet jetzt ausgerechnet ein dem vormals „de Beers“ zugerechnetes Unternehmen. Aus der Synthese – man spricht hier von „im Labor“ erzeugten Diamanten mit einer Reinheit von color und clarity (der Klassifizierung von geschliffenen Natur-Diamanten (Brillianten) nachempfunden); wobei sich die Farbe dieser Diamanten sogar noch wählen lässt: weiß, blau oder rosa. Und dazu das Beste: den Preis kann sich jeder beim Kauf direkt bei diesem Konsortium ab 0,25 bis 2,0 ct selbst ausrechnen. Ein Beispiel: Preis 0,25 ct = 200 US-Dollar 0,5 ct = 400 US-Dollar 1,0 ct = 800 US-Dollar und so weiter, sodass ein Zwei-Karäter entsprechend 1.600 US-Dollar kosten würde. Für die geplagten Verkäufer in den Diamant-Börsen Antwerpen und London und für die Juweliere der Hinweis, dass alle diese „Labor-Diamanten“ mit Laser mikroskopisch klein als solche gekennzeichnet werden, um „betrügerische“ Verwechslung mit Natur-Diamanten zu verhindern. Das „Contra“ in der Industrie spielt sich derzeit nicht so drastisch ab Im Jahr 1957 – nach der ersten Verfügbarkeit synthetischer Diamanten – zunächst als Diamant-Körnung für die Entwicklung neuer kunstharzgebundener Diamant-Schleifscheiben erstmals auch für das Vorschleifen von Hartmetall genutzt, wurde die Industrie in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren von einer Vielzahl von Innovationen „überrannt“, die sie sich teils erst mit Verzögerung erschließen konnte. Denken wir hierbei besonders an die seit 1973 verfügbaren polykristallinen synthetischen Diamanten (Kürzel PKD). 16 dihw 13 · 3 2021
Werkstoffe Dabei handelt es sich einfach ausgedrückt um synthetische Diamant-Körner in einer zylindrischen Form, die unter Druck und Hitze auf eine runde Hartmetallplatte (als Träger) und unter Beifügung von Wolfram und Kobalt als Katalysator aufgepresst werden, ähnlich der Diamant-Synthese. Die ersten PKD-Platten hatten nur einen Durchmesser von 3,2 mm. Doch mechanisch aufgeteilt in Rechtecke waren sie Grundlage von sogenannten PKD- Zerspanungswerkzeugen, die das Unternehmen LACH DIAMANT 1973 auf der Hannover Frühjahrsmesse zum Beispiel für die erstmals damit mögliche wirtschaftliche Drehbearbeitung von Kupferkollektoren (und deren eingebackener Kunststoffglimmer) erfolgreich präsentierte. Wiederum war eine neue Technologie geboren. Kompakte Diamant-Blöcke – PKD – als Grundlage für die Entwicklung hartmetallüberlegener Zerspanungswerkzeuge für „schnelleres Drehen, Bohren und Fräsen mit Synthesediamanten“. Das Überdrehen der Kupfer-Kollektoren ist ein weiteres „Contra“ in dieser Betrachtung. Bis zum Einsatz der ersten PKD-dreborid ® -Drehstähle wurden Kupfer-Kollektoren in der Feinbearbeitung ausschließlich mit Natur-Diamanten überdreht. Mit dem Ergebnis, ich erinnere mich an mein erstes Auto, dass ich wegen der Scheibenwischanlange alle 750 km die Werkstatt aufsuchen musste, um den Scheibenwischer-Motor zu wechseln; andernfalls hätte der Scheibenwischer beim nächsten Regen stehen bleiben können. Bereits ab 1973 lösten polykristalline Drehwerkzeuge das Überdrehen der Kupferlamelle von roh- und feingedrehten Kupferkollektoren ab. Der Einzug polykristalliner Schneidwerkzeuge in die Aluminium verarbeitende Automobilindustrie brachte auch hier das „Contra“ in der Kolbenfertigung und die Erkenntnis, dass die beim Drehen mit polykristallinen Schneidstoffen erzeugte Oberflächengüte – entgegen der bisher eingesetzten Natur-Diamanten – die Grundlage für einen perfekten Schmierfilm schuf, der „Kolbenfresser“ ab sofort weitestgehend verhinderte. Ein weiteres „Diamant contra Diamant“ rückt Composite- und Holz-Werkstoffe und deren Industrie in den Fokus. Indirekt ist Hartmetall bei diesem Beispiel zum Teil im „Contra“, da Diamant in der Schleifscheibe für Hartmetall auch präsent ist: Pars pro Toto. Schon früh nach dem erfolgreichen Einsatz von PKD-Dreh-, PKD-Bohr- und PKD-Fräswerkzeugen wurde neben NE- Werkstoffen, wie Aluminium und Kupfer, auch mit Materialien aus dem Bereich der Kunststoffe experimentiert. Beispielsweise Weich- und Hartkunststoffe, Glasfaser und Kohlenstoff-Faser- Materialien, Elektrografit-Kohlen und diverse Holzwerkstoffe. Aus dieser experimentierfreudigen Zeit stammt auch das linke Foto eines PKD- Schaftfräsers bei der spangebenden Bearbeitung eines GFK-Bauteils. Und heute? Probleme mit Scheibenwischer-Motoren? Nein danke. PKD überdreht sollten diese mehrere Auto-Leben aushalten. Ähnliches „Contra“ – klar für PKD – lässt sich auch vom Überdrehen von Motor-Kolben berichten. Noch bis in die 1970er Jahre konnte ich bei meiner Fahrt zur Messe in Hannover Autos gehobener Klassen am Fahrzeugrand – offenbar mit „Kolbenfresser“ – stehen sehen. Kundige Fahrer waren seinerzeit überzeugt, ihre Neuwagen auf dieser Strecke so „richtig einfahren“ zu müssen. Hielt der Motor durch, war es ein gutes Auto… Spangebendes PKD-Fräsen von glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) anlässlich eines Versuchs 1974 – im Vergleich zu diamantbesetzten galvanischen Werkzeugen wenig Staubentwicklung. Als 1977 die zweite productronica in München anstand, wurden PKD-Werkzeuge zum Sägen/Ritzen/Fräsen/Bohren auf einer eigens beschafften Amacher- Leiterplatten-Maschine einem erstaunten Publikum vorgeführt. Mit so großem Erfolg, dass zunächst – bis zur Entdeckung der Funkenerosion – die Erwartung der einschlägigen Industrie enttäuscht werden musste. Andere Industrien wurden zwischenzeitlich ebenso neugierig und es wurde ebenso fleißig weiter experimentiert beziehungsweise konstruiert. Zum Beispiel für die Luftfahrzeug-Industrie – dihw 13 · 3 2021 17
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